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Eight Lines


Steve Reich zählt bis heute zu den prominentesten Vertretern der »minimal music«, wenngleich sein Schaffen im Laufe der Jahrzehnte durchaus stilistischem Wandel unterworfen war. Im Bewusstsein dessen, dass das charakteristische Merkmal älterer Stücke,ostinate Bausteine in weitläufiger zeitlicher Dehnung in einem komplexen Klangkontinuum aufgehen zu lassen, nicht beliebig reproduzierbar ist, wandte er sich in späteren Jahren komprimierteren Formverläufen zu.

So vollzieht sich der Prozess klanglich-rhythmischer Verdichtung in Eight Lines wesentlich rascher als noch in Drumming, einem Schlüsselwerk Reichs von 1971. Die streng kanonisch ablaufenden, stark perkussiven Repetitionsfiguren der zwei Klaviere, flankiert von Liegetönen der Violinen, sind in Eight Lines direkt zu Beginn von starker Präsenz. Weitere Instrumente oder Instrumentenpaare treten sukzessive hinzu – im Gegensatz zur tradierten Kanontechnik sind die »Themen« allerdings zunächst nicht voll ausgeprägt. Sie bauen sich vielmehr kontinuierlich zu »rhythmischen Konstruktionen« auf, die in den fünf Abschnitten in unterschiedliches harmonisches Licht getaucht werden. Die einzelnen Sektionen sind durch abrupte Wechsel der harmonischen Felder klar voneinander abgegrenzt – wobei figurative Überlappungen für fließende Übergänge sorgen und die enge Verbundenheit der Abschnitte unterstreichen: Erste und dritte Sektion ähneln sich hinsichtlich rascher Bewegung prägnanter Figurationen von Klavier, Violoncello, Bratsche und Bassklarinette, während im zweiten und vierten Abschnitt die nun lang gehaltenen Töne des Violoncellos korrespondieren. Im finalen fünften Abschnitt werden diese Materialien im Sinne einer Synthese miteinander kombiniert.

Als Gegenpol zur allenthalben rhythmischen Dominanz enthalten der erste, dritte und fünfte Abschnitt weiter ausgreifende melodische Linien von Flöte oder Piccolo, die aber wiederum aus kürzeren Patterns zusammengesetzt sind. Inspiriert sind diese, sich dem kanonischen Geflecht entziehende Melodien von hebräischen Gesängen, mit denen sich Reich in den Jahren 1976/77 intensiv beschäftigte. In zeitlicher Nähe zu diesen Studien entstand sein Octet [1979], das im Prinzip identisch mit Eight Lines ist. Aus aufführungspraktischen Gründen und zur Erzielung eines optimierten Klangergebnisses fügte Reich in Eight Lines [vier Jahre später] ein weiteres Streichquartett hinzu – was etwa die Aufteilung der in den Violinen geforderten Doppelgriffe auf zwei Spieler ermöglichte. Der Titel dieser neuen Version impliziert ebenso wie Octetkeinerlei programmatische Andeutungen.